Die Verschleierung des Mordens in Zeiten der Pandemie

CdP de San José de Apartadó – Bericht vom 22.6.2020
Eingesandt von cdpsanjose el Jue, Übersetzung 8.7.2020/bfk/wk

Unsere Friedensgemeinde San José de Apartadó wendet sich erneut an die Öffentlichkeit, um die neuen Ereignisse bekanntzumachen, die die verbrecherische Politik des kolumbianischen Staates und dessen Nachsicht und insgeheimes Einverständnis mit den kriminellen Vorgängen enthüllen, die in der Vergangenheit wurzeln. Weiterlesen

Krieg und Frieden in der Sprache der Paramilitärs

CdP de San José de Apartadó – Bericht vom 12.10.2020
Übersetzung – 18.10.2020/BFK/WK

Wieder sieht sich unsere Friedensgemeinde genötigt, dem Land und der Welt über die letzten Vorkommnisse zu berichten. Wir leiden weiterhin unter den Machenschaften des Paramilitarismus, der weiterhin versucht, die Bauern zu unterwerfen. Dabei können die Paras fortfahren, ohne von einer staatlichen Autorität dabei gestört zu werden – im Gegenteil, sie erhalten sogar ökonomische und politische Unterstützung für ihre Projekte.

Seit dem 14. September gibt es eine verleumderische Kampagne, die unsere Friedensgemeinde diffamiert und uns empört. Seit jenem Tag zirkuliert per Whatsapp ein Pamphlet mit dem Titel: „Wir mögen die Friedensgemeinde nicht“, mit dem man versucht, die Bauern in unserem Gebiet gegen unsere Gemeinde aufzuhetzen. Wie dem Text zu entnehmen ist, stammt das Pamphlet von den Juntas de Acción Comunal der Dörfer Mulatos Medio und Mulatos Cabecera (Anm. d. Ü.: Die Juntas de Acción Comunal sind Mitbestimmungsgremien auf lokaler Ebene, die jedoch in der Praxis oft von den lokalen Machthabern kontrolliert werden), denn der oder die Verfasser laden Regierungsvertreter ein, diese Gemeinden zu besuchen.

Obwohl das Pamphlet angeblich von Bauern, nämlich Mitgliedern der örtlichen Gemeinde verfasst wurde, lässt der Inhalt keinen Zweifel an seiner paramilitärischen Herkunft. Seit einigen Jahren versuchen die Armee und andere staatliche Institutionen, die Juntas des Acción Comunal zu kooptieren, damit sie sich in der paramilitärischen Strategie zur Kontrolle der Region unterordnen.
Das wurde schon 2017 besonders deutlich, als unsere Friedensgemeinschaft 20 Jahre bestand, denn damals lud der Kommandant der 17. Heeresbrigade kooptierte Vertreter der Juntas ein, damit sie unsere Gemeinde gegenüber den internationalen Vertretern verleumden, die wegen des Jahrestages um einen Gesprächstermin mit der Heeresbrigade gebeten hatten.

Angesichts dieses empörenden Versuchs zogen sich die internationalen Vertreter brüskiert von dem Treffen zurück. Danach wurde auch klar, dass die Paras das gesamte Gebiet kontrollieren wollten, nachdem die FARC demobilisiert war. Tatsächlich haben sie das ja auch mit ihren Spionage- und Kontrollpunkten erreicht, und dabei konnten sie immer mit der staatlichen Unterstützung rechnen.

Aber was noch mehr auf die paramilitärische/militärische Herkunft des Pamphlets schließen lässt, ist sein Inhalt. Der oder die Verfasser versuchen die Situation in der Region wie eine Insel des Friedens aussehen zu lassen. Dafür müssen sie das Bespitzelungsnetz verheimlichen, das sie zur umfassenden Kontrolle der Einwohner aufgebaut haben. Verhehlt werden müssen auch die bewaffneten Streifen auf ihren Motorrädern, die ständig auf der Straße nach San José patrouillieren, ebenso wie die illegalen Steuern, die sie kassieren. Verschwiegen werden auch die Vorschriften, die sie den Bewohnern in ihren Versammlungen machen, etwa jene, die den Anbau von Produkten zum Eigenverbrauch verbieten und ihnen stattdessen sogenannte Entwicklungs- oder Fortschrittsmodelle aufzwingt, die auf lange Sicht zu ihrem Ruin und ihrer anschließenden Vertreibung führen.

Nicht die Rede sein darf auch von der dauernden Bedrohung jener, die sich all dem nicht fügen wollen oder von den Todeslisten und den Morden, die sie schon auf dem Gewissen haben. Unerwähnt bleiben natürlich auch die Gruppen von Zivilisten in Tarnuniformen und mit Gewehren und Handfeuerwaffen, die durch die Dörfer patrouillieren, ebenso wie das dauerhafte und freundschaftliche Zusammenleben von
paramilitärischen Führern und den Offizieren des Militärs im Dorf San José.

Sie erwähnen auch die Ankunft ausländischer Unternehmen nicht, die nur an der schnellen Ausbeutung der natürlichen Ressourcen interessiert sind und deren schwere Schädigungen der Umwelt mit rechtswidrigen Konsultationen der Bevölkerung bemäntelt werden. Die illegalen Erschließungsstraßen zu den Stätten der Ausbeutung werden mit dem Kapital und dem Maschinenpark gebaut, die die Paramilitärs zur Verfügung stellen.

So sieht die Insel des Friedens aus, die sie zeichnen und wo die demobilisierten ehemaligen FARC angeblich in absoluter Ruhe leben.
Dem Pamphlet nach ist die einzige Gruppe, die diesen „Frieden“ ablehnt, unsere Friedensgemeinde, die ihnen zufolge Krieg sät. Aber sie konkretisieren weder, was sie als Frieden, noch was sie als unseren Krieg bezeichnen. Im Pamphlet wird jedoch klar, dass es sie stört, dass unsere Gemeinschaft nicht mit den Paras kooperiert und zu ihren Verbrechen nicht einfach schweigt.

Daher ist es klar, dass wir ihrer Meinung nach „Krieg“ führen indem wir all ihre schlimmen und kriminellen Aktivitäten ablehnen, die sich sowohl gegen Menschen als auch gegen die Natur richten. (…) Wir werden nicht schweigen und immer wieder all diese Dinge an die Öffentlichkeit bringen – das ist für sie unser Krieg (…)

Sie wagen es nicht zuzugeben, dass sie uns bespitzelt und verfolgt haben und dabei zu dem Schluss gekommen sind, dass wir nicht einmal ein Messer haben, um uns zu verteidigen, und dass es daher leicht ist, uns zu töten. Stattdessen betraten sie am 29. Dezember 2017 bewaffnet unser privates Gebiet in Josesito, um uns zu ermorden und Gott sei Dank konnte durch eine schnelle waffenfreie Reaktion die Ermordung unserer Führer verhindert werden. Aber dennoch sind wir in dem Schriftstück diejenigen, die sich für „Krieg“ entscheiden und sie sind für „Frieden“.

Aber all diese Diffamierungen und unverschämten Angriffe sind ja nicht neu, sondern sind Teil einer Strategie, die schon seit Jahrzehnten verfolgt wird und die Vernichtung unserer Friedensgemeinde zum Ziel hat. Zuerst versuchten uns die Paramilitärs gemeinsam mit dem Militär physisch zu vernichten. Im Laufe der Jahre ermordeten sie in ihrem Rausch an Grausamkeiten mehr als 300 unserer Kameraden und Kameradinnen, darunter auch Kinder und Alte. Dieser einem Völkermord gleichende Vorgang wurde – mit rechtfertigender Wirkung – begleitet von einer kriminellen Stigmatisierungskampagne des Präsidenten der Republik.

Denn Paras, die vor den Instanzen des Friedensabkommens von ihren Taten aussagten, berichteten, wie Ex-Präsident Álvaro Uribe Vélez sie überzeugt hat, dass unsere Friedensgemeinde ein Guerrilla-Nest sei. Sie sollten daher mitleidslos unsere Leute töten, was sie heute bitter bereuen, weil sie verstanden haben, dass sie dadurch gezwungen wurden, Unschuldige zu töten. Uribe hat heute zahlreiche Strafverfahren eines Rechtssystems am Hals, das freilich zwischen Straflosigkeit und Gerechtigkeit hin- und herschwankt. Damals erfuhr diese Politik den starken publizistischen Rückhalt von Zeitungen wie „El Colombiano“ und „El Mundo de Medellín“ und von Rundfunkanstalten von Urabá. Sie verbreiteten Lügen und Verleumdungen und gingen ganz offensichtlich eine Komplizenschaft mit all diesen Verbrechen ein, für die sie nicht einen einzigen Tag im Gefängnis bezahlt haben, und sie haben den betroffenen Familien gegenüber auch nicht versprochen, diese Verbrechen nicht zu wiederholen.

Mehrere Jahre versuchte die Allianz aus Militärs und Paras, unsere Gemeinschaft durch Hunger auszurotten. Sie blockierten die Lebensmittelversorgung und scheuten sich nicht, dafür mehrere Chiveros-Fahrer (Anm.d.Ü.: die Chauffeure des informellen Nahverkehrs), alle Ladenbesitzer im Dorf und alle fliegenden Lebensmittel- und Getränkehändler an der Straße zwischen Apartadó und San José zu ermorden.

Dieser gesamte Vernichtungswahn wurde ergänzt durch die Arbeit des korrupten und kriminellen Justizapparates mit falschen Zeugen, Folter, willkürlicher Inhaftierung und Verletzung aller Prozessregeln. Auch als wir die obersten Gerichte anriefen und mit genauen Recherchen und Beweisen das Fehlverhalten von Staatsanwälten, Richtern, Polizeibeamten, Strafverteidigern aufzeigten, hatte das keinen Erfolg. Die Gerichte getrauten sich nicht zu handeln, sodass bis heute die korrupten und kriminellen Vertreter der sogenannten Gerechtigkeit in ihren Ämtern geblieben sind.

Nachdem nun unsere Gemeinschaft erfahren musste, dass sie nicht mit der Hilfe der Justiz rechnen konnte und ihrer verfassungsmäßigen Rechte beraubt werden, rekurrierte sie auf den Gewissensnotstand und wandte sich fortan nur noch an internationale Gerichte. Aber zugleich entschieden wir uns, weiterhin an das Gewissen und das Solidaritätsgefühl jener Menschen und Organisationen auf nationaler ebenso wie auf internationaler Ebene zu appellieren, die weiterhin an ethischen Prinzipien festhalten. Deshalb berichten wir weiterhin über die sozialen Netzwerke von den Angriffen gegen uns.

Auch dieser letzte Appell an die menschliche Solidarität der „Sauberen“ wurde von der 17. Brigade des Heeres blockiert. Am 28. September 2018 ging sie juristisch gegen uns mit dem Ziel vor, uns mundtot zu machen. Wir sollten gezwungen werden, alle unsere Auftritte in den sozialen Medien zu entfernen. Wir aber weigerten uns, diesen schurkischen Anweisungen Folge zu leisten. Die korrupte zuständige Richterin ließ sich dazu hinreißen, die in der Verfassung festgeschriebene Meinungsfreiheit zu verletzten, die die internationalen Normen des Verfassungsrechts als Wesensgehalt der Demokratie ansehen. Bisher hat das Verfassungsgericht solche absurden Urteile auf Eis gelegt, und zwar viel zu lang.

Kein Wunder also, dass die Herausgeber des hier erwähnten schmutzigen Pamphlets beklagen, dass ihr Verhalten kritisiert wird, aber gleichzeitig fordern sie die Regierung auf, sie bei einem der schwersten Verbrechen zu unterstützen: nämlich unsere Gemeinde zu vernichten (…).

Die Verfasser wollen außerdem, dass sie freien Zugang zu allen unserem Grund und Boden erhalten. Wir haben ja schon am
29. Dezember 2017 einschlägige Erfahrungen mit ihnen gemacht, als fünf Paramilitärs von denen, die in San José unentwegt mit den Ordnungskräften zusammen sind, in San Josesito mit dem Ziel eindrangen, unseren juristischen Vertreter und die Mitglieder unseres internen Rates zu ermorden. Sollen wir jetzt etwa alle Schlösser für sie öffnen, damit sie einfach hereinkommen und weiter töten können? Ist nicht dieses Verhalten typisch für kriminelle Banden?

In dem Pamphlet wird gefordert, den Vernichtungskrieg gegen uns „Frieden“ zu nennen. Entsprechend bezeichnen die Autoren die Beharrlichkeit, mit der wir angesichts ihrer Verbrechen, ihrer Gewalttaten, ihrer Drohungen und Übergriffe unsere Stimme erheben, als “Krieg”.

Basierend auf unseren festen Überzeugungen setzen wir hier den Bericht über die jüngsten Ereignisse fort:

  • Am Samstag, den 19. September 2020, wurde tagsüber eine Gruppe von Paramilitärs mit Gewehren auf der Straße gesehen, die vom Dorf Las Nieves nach La Esperanza führt, das zu San José de Apartadó gehört.
  • Am Dienstag, 29. September 2020, fuhr eine auffallende Gruppe von Männern, mit Pistolen bewaffnet, auf Motorrädern auf der Straße am Rande unserer Siedlung San Josesito. Am Nachmittag desselben Tages überquerte der als Alfredo bekannte Paramilitär diese Straße. Anscheinend koordinierten all diese Paramilitärs an diesem Tag die Verteilung von Flugblättern, die dann zwei Tage später in der gesamten Region und in vielen Gemeinden von Antioquia und dem Land gefunden wurden.
  • In der Nacht des Mittwochs, 30. September 2020, erreichten uns Informationen über einen angeblichen Vernichtungsplan, den die Paramilitärs zusammen mit einigen Siedlern dieser Zone ausgeheckt hätten. Ziel sollte unsere Friedensgemeinde sein. Es wird uns vorgeworfen, dass unsere Gemeinschaft keinen Fortschritt in der Gegend zulasse und dass wir die Anwesenheit der Paramilitärs im Dorf kritisierten, was ihnen schadet und verhindert, dass sie die Bevölkerung noch stärker kontrollieren.
  • Am Donnerstagmorgen, 1. Oktober 2020, fanden sich viele Pamphlete der Paramilitärs und eine Menge Graffiti an Bäumen und Häusern, die von den Autodefensas Gaitanistas de Colombia unterzeichnet waren, die unsere Region und viele andere in Kolumbien kontrolliert. (Anm.d.Ü: Die Autodefensas Gaitanistas de Colombia, AGC, gelten als die mächtigste und gefährlichste paramilitärischen Truppe des Landes. 2016 wurde geschätzt, dass die AGC, die zugleich eines der großen Drogen-Kartelle des Landes sind, rund 3000 Mann unter Waffen haben. Die AGC treten auch unter den Namen Clan del Golfo, Clan Úsuga oder Los Urabeños auf).
    Es scheint, dass diese Pamphlete nicht nur in San José de Apartadó und seinen Ortsteilen, sondern auch in vielen anderen Gemeinden des Landes verteilt wurden. In dieser Broschüre protestieren sie gegen die Brutalität der Nationalpolizei gegen Volksproteste und prangern gleichzeitig die Aktivitäten der Guerilla in der Region an. Es ist beunruhigend, dass eine staatlich tolerierte paramilitärische Struktur nun die Unterstützung der Bevölkerung gewinnen will, indem sie ihre eigene Schutzmacht in einer Angelegenheit anprangert, die auf nationaler Ebene so einhellig von der Bevölkerung abgelehnt wird, wie es das brutale Vorgehen der Polizei ist. Und dazu kommt noch, dass es keine Bestrebungen des Staates gibt, die Paras zu verfolgen, wie der Bischof von Apartadó vor einigen Monaten angeprangert hat.
  • An demselben Tag in den Morgenstunden marschierte ein Trupp von Soldaten der 16. Brigade (Anm.d.Ü. gemeint ist vermutlich die 17. Brigade), durch unser Friedensdorf und verletzten so unser Privateigentum. Ganz in der Nähe war unseren Informationen zufolge auch eine bewaffnete Gruppe von Paramilitärs in Zivil.
  • Tagsüber am 1. Oktober 2020 erhielt unsere Gemeinde Informationen, nach denen es die als Jesusito und Wilfer Higuita bekannten Paras waren, die die Pamphlete verteilt und Bäume und Häuserfronten beschmiert haben. Es ist bekannt, dass Wilfer Higuita als Teil der Paramilitärs 2009 in die 17. Heeresbrigade integriert wurde. Am 17. Januar 2009 wurde er Bote von Oberst Germán Rojas Díaz, dem Kommandanten der Brigade, sollte in dieser Funktion ein Mitglied der Friedensgemeinschaft erpressen und ihn auffordern, ihm bei der Zerstörung der Friedensgemeinschaft zu helfen, sonst würde er Strafverfahren wegen Drogenhandels oder Rebellion mit falschen Zeugen erfinden. Am 16. November 2009 machte Wilfer Higuita selbst am Rande von San José de Apartadé eine Liste von Ermordeten bekannt, von denen mehrere in den folgenden Tagen getötet wurden, wie Fabio Manco und Luis Arnelio Zapata. Laut Higuitas Ankündigung würden für jeden Tod sieben Millionen Pesos bezahlt. In diesen Jahren wurde er als Paramilitär mit Soldaten der 17. Brigade auf Patrouille gesehen.
  • Am Mittwoch, den 7. Oktober 2020, um 7 Uhr, betrat eine Gruppe von vier Soldaten der 17. Brigade ohne Genehmigung den inneren Bereich unseres Friedensdorfes. Etwas später um 11 Uhr betraten drei weitere Soldaten unerlaubt unseren Bereich, behaupteten einige Koordinaten zu überprüfen und gaben vor, sich verlaufen zu haben. Es sei darauf hingewiesen, dass das Friedensdorf ausreichend als Privatgebiet gekennzeichnet ist. Es ist nicht nachzuvollziehen, dass Beamte des Staates den Schutz des Eigentums ignorieren. Klar ist, dass die Paras eine Möglichkeit suchen, unsere Lebensweise zu zerstören. Deshalb nutzen sie verschiedene Beobachtungspunkte, um sich dauerhaft einen Einblick in unsere Aktivitäten zu verschaffen. Angeblich kommt ein neuer paramilitärischer Kommandant in das Gebiet, der den bisherigen, „Pueblito“ oder „Pueblo“ genannten Para-Chef ersetzen wird, der von den Ordnungskräften getötet worden ist.

Die Bergbauunternehmen haben das größte Interesse an der Übernahme unserer Region. In den letzten Monaten hat es viele illegale Befragungen der Bevölkerung  gegeben, um mit dem Abbau der Bodenschätze zu beginnen. (Anm.d.Ü.: In Kolumbien sind bei Bergbauprojekten Konsultationen der Bevölkerung juristisch vorgeschrieben. Oft führen die Firmen jedoch eigene  – also illegale – Befragungen durch, auf deren manipulierte Ergebnisse sie sich später berufen können.) Die Befragungen wurden von den Paramilitärs durchgeführt, die die schmutzige Arbeit des Urabá-Unternehmers verrichten.

Leider fallen die Bauern oft auf das Spiel dieser Unternehmen herein, die nur ihre Devisenkassen füllen und dafür die Bauern um ihre ohnehin prekären Einkünfte bringen wollen, die am Ende ihr Land tatsächlich aufgeben. Danach werden sie von jenen vertrieben, die diese Art der Enteignung als Fortschritt und Entwicklung ausgeben.

Man muss sich nur anschauen, wie die anderen Regionen des Landes aussehen, in denen diese Unternehmen die Ressourcen ausgebeutet haben und wie die Menschen jetzt nur noch in Elend leben, mit der Angst vor Vertreibung und mit Schmerz und Wut, weil sie den falschen Versprechungen geglaubt haben, die diese Unternehmen verbreitet hatten.

Wir wissen, dass es ein großes Interesse der Bergbaufirmen und der staatlichen Institutionen gibt, unserer Friedensgemeinde die kollektiven Ländereien zu nehmen. Sie nutzen den Paramilitarismus und einen großen Teil der Zivilbevölkerung in der Region,  um das Ärgernis zu beenden, das wir in ihren Augen sind. Dann könnten sie die Bodenschätze und Ressourcen ausbeuten und dieser schönen Zone ein Ende bereiten. Dieser Art von „Fortschritt des Todes und der Vernichtung“ tritt unsere Friedensgemeinde entschieden entgegen.

Wir möchten wieder den Personen und Gemeinden danken, die von unterschiedlichen Orten des Landes und der Welt aus uns diese fast 23 Jahre der Friedensgemeinde begleitet haben und die trotz der Isolation durch die Pandemie die kolumbianische Regierung weiterhin jeden Tag unter Druck setzt, unser Leben oder unser Erbe und unser Vermächtnis nicht zu zerstören. Wir danken aufrichtig dafür, dass Sie diesen Prozess der Verteidigung des Lebens unterstützt haben, und das ermutigt uns auch moralisch, unsere Grundsätze weiter zu verteidigen.

Comunidad de Paz de San José de Apartadó
12. Oktober 2020

Geburtstagsfest inmitten von tödlichen Viren

CdP de San José de Apartadó – Bericht vom 30.3.2020
Übersetzung 10.5.2020/bfk/wk

Am Montag, 23. März, haben wir unseren Gründungstag gefeiert: Genau vor 23 Jahren hat sich unsere Gemeinde zur Friedensgemeinde San José de Apartadó proklamiert. Wir entstanden inmitten eines wahren Blutbades, das das kolumbianische Heer und sein paramilitärischer Arm damals angerichtet hatten, und zwar ganz sicher nicht, um die anderen Bewaffneten zu bekämpfen, sondern mit dem festen Vorsatz, alle sozialen Bewegungen auszurotten, die sich nicht ihrer Politik unterwerfen wollten. In unserem Fall hatten sich die offiziellen Streitkräfte zur Aufgabe gemacht, alle die zu eliminieren, die sich nicht an einem bewaffneten Konflikt beteiligen wollen, in den gemäß der importierten Militärdoktrin die gesamte zivile Bevölkerung, egal ob aktiv oder passiv, einbezogen werden muss.

Heute, 23 Jahre später, liegen uns die gerichtlichen Aussagen von früheren Paramilitärs vor, nach denen der damalige Staatspräsident Álvaro Uribe Vélez ihnen eingeredet hatte, dass unsere Friedensgemeinde in Wahrheit ein Guerrilla-Nest sei. Aus diesem Grund waren sie ihren Aussagen zufolge bereit, möglichst viele von denen umzubringen, die an unserem Friedensprozess mitmachten. Aber Jahre später wurde ihnen klar, dass das alles gefälscht war und dass man sie genötigt hatte, Unschuldige zu töten und fürchterliche Verbrechen zu begehen, die sie bis heute bereuen.

Wegen der sozialen Distanzierung, die zurzeit in Kolumbien und weltweit geboten ist, war unser Gedenken an den Gründungstag hauptsächlich virtuell. 22 Schwestergemeinden und –organisationen aus vielen Ländern traten via Internet mit uns in Kontakt. Sie priesen in ihren wunderbaren Botschaften der Solidarität und der Brüderlichkeit den Weg des Widerstandes und der Würde, die unsere Gemeinde eingeschlagen hat und auf dem sie uns alle mit ihrer moralischen Unterstützung begleitet haben.

Aber da die Angriffe und die Verbrechen der staatlichen Akteure nicht enden, müssen wir erneut von einer Reihe von bedrohlichen Situationen und Übergriffen berichten.

Am Samstag, 14. März, erhielt einer der Einwohner von San José de Apartadó den Anruf eines als „Nicolás“ bekannten Anführers der paramilitärischen Gruppe „Clan del Golfo“. Vom Mobiltelefon mit der Nummer 312-4320960 aus forderte Nicolás eine Kuh als finanziellen Beitrag zu den paramilitärischen Aktivitäten in San José. Als sich der Einwohner weigerte, drohte der Anrufer ihm an, dass einer seiner nächsten Verwandten bald getötet werde.

Am Sonntag, 15. März, wurden wir informiert über die Todesdrohungen, die die Familie von Amado Torres erhielt, der am 29. Februar dieses Jahres im Dorf La Miranda ermordet worden war. Nach seinem gewaltsamen Tod weigerten sich die zuständigen staatlichen Stellen, die Leiche abzuholen. Die Familie musste sie bis nach Caracoli bringen, das zum Dorf La Victoria gehört. Es ist bekannt, dass an dem Verbrechen die Paramilitärs mit den Tarnnamen Alfredo und René beteiligt waren, letzterer als Befehlshaber in der Region. Die Familie von Amado Torres sah sich gezwungen, ihre Farm zu verlassen, nachdem die Paras praktisch die Kontrolle über das Land der Familie übernommen haben. Über die Nachbarschaft ließen die Paras verbreiten, dass „jetzt noch andere Familienmitglieder an der Reihe sind zu sterben“. Einer der Arbeiter des ermordeten Farmers steht offenbar auch im Fadenkreuz der Verbrecher.

Zu dieser Bedrohungslage kommt noch hinzu, dass die Staatsanwaltschaft absolut nichts zur Aufklärung des Verbrechens unternimmt. Schlimmer noch, der zuständige Staatsanwalt hat das Mobiltelefon von einem der Söhne des Opfers eingezogen, was sich in die perverse Tradition der Justiz von Urabá einfügt, gegen die Opfer und nie gegen die Täter zu ermitteln. Es ist dagegen völlig unverständlich, warum die Staatsanwaltschaft nicht die Handys jener Paras beschlagnahmt hat, die für das Verbrechen verantwortlich sind – es handelt sich schließlich um eine in der Gegend bestens bekannte Gruppe.

Für den Samstag, 21. März, wurden in Nuevo Antioquia – das zum an San José de Apartadó angrenzenden Munizip Turbo gehört – verschiedene Abordnungen der Juntas de Acción Comunal zusammengerufen, die sich zur Ausbeutung eines riesigen Kohle-Vorkommens in der Region äußern sollen, die offenbar ein südkoreanischer Bergbaukonzern beabsichtigt (Anm. d. Ü.: Die Juntas de Acción Comunal sind gewählte Organe der Bürgerbeteiligung auf kommunaler Ebene, die in Kolumbien eine lange Tradition haben. Heute stehen sie oft unter Druck von mehreren Seiten. Einerseits versuchen die lokalen politischen Parteien, sie zu beherrschen, andererseits werden sie oft von den bewaffneten Gruppen, also Guerrilla und Paramilitärs, unter Druck gesetzt.) In diesem Zusammenhang denken wir an die Südkorea-Reise des früheren Präsidenten Juan Manuel Santos im Jahr 2013, bei der es den damaligen Medienberichten zufolge darum ging, mit den Südkoreanern Verträge zur Ausbeutung von Bodenschätzen, vor allem von Kohle, auszuhandeln.

Es ist allerdings sehr merkwürdig, dass die Nationale Bergbau-Agentur ausschließlich die kolumbianischen Unternehmen Argos und Carbones del Golfo als Inhaber von Schürflizenzen ausweist. Kennern der Materie zufolge findet eine Art unternehmerisches Outsourcing statt. Demnach agieren die nationalen Unternehmen als Strohmann für das multinationale Kapital. Uns beunruhigt außerordentlich, dass nun die Zustimmung der Juntas de Acción Comunal erforderlich sein soll. Denn die sind zum großen Teil von paramilitärischen Gruppen oder von klientilistischen Politikern manipuliert.

Das alles zeigt, dass man eine formelle Volksbefragung umgehen will, wie sie bei Projekten dieser Art und Größenordnung durch die Verfassung und die entsprechenden Ausführungsgesetze vorgeschrieben ist. Die Befragung der Juntas de Acción Comunal ist nichts weiter als eine illegale Nachahmung einer legalen Volksbefragung. Dahinter stecken egoistische, schändliche Interessen, die mit unverfrorener Bestechung durchgesetzt werden. So bietet man denen, die bei der Befragung mit Ja stimmen, unverhohlen Pick-ups, monatliche Zahlungen, Wohnungen in der Stadt und andere Pfründe an. Sogar der Bau eines Staudamms im Rio Mulatos wird versprochen, obwohl der mit Sicherheit nicht die Probleme lösen wird, die die Bevölkerung mit der Wasserversorgung hat, sondern dieser Staudamm würde am Ende in den Dienst der im Übrigen ökologisch verheerenden Kohlenförderung gestellt. Eine solche Ansammlung von Illegalität und Verderbtheit kann nur gedeihen im Wirkungsbereich paramilitärischer Kontrolle und in einem Gemeinwesen mit äußerst langer paramilitärischer Tradition, wie es Nuevo Antioquia ist.

Am Sonntag, 22. März, veranstalteten die Befehlshaber der Paras im Weiler La Unión eine Art Party mit Alkohol, Drogen und Gewalt, und das, obwohl an diesem Sonntag in Kolumbien bereits das Isolationsgebot in Kraft war, mit dem die Ausbreitung des Corona-Virus gebremst werden soll. Die Hauptfiguren bei diesen Ausschreitungen waren der Para-Chefs Wilmer de Jesús Úsuga, ferner die unter den Alias-Namen Jesusito, Ramiro und Samuel bekannten Paras, allesamt frühere Farc-Kämpfer. Wilmer oder Jesusito hatten bereits vorher, vom Weiler San José aus, eine Todesdrohung gegen Wilfer Higuita ausgesprochen, der in La Unión lebt. Higuito diente 2009 dem damaligen Kommandeur der 17. Brigade, Oberst Germán Rojas Díaz, als Unterhändler bei dem Versuch, ein Mitglied unserer Friedensgemeinde zu erpressen: Sollte sich unser Mann nicht an der Zerstörung der Friedensgemeinde beteiligen, würden falsche Zeugen gegen ihn vor Gericht aussagen. Als Wilfer nun nach La Unión floh, folgte ihm Jesusito dorthin und bedrohte ihn und andere Bewohner des Weilers, während die anderen Paras, die Brüder Samuel und Ramiro, Marihuana rauchten. Wir als Friedensgemeinde bedauern zutiefst, dass La Unión heute so tief gesunken ist, obwohl es zu anderen Zeiten der Schauplatz des heroischen Widerstandes und des Martyriums von hochgeschätzten Führungsfiguren und von beispielhafter Solidarität und des Gemeinsinnes war.

Am Montag, 23. März, beobachteten die Posten, die den Eingang des Warenschuppens der Friedensgemeinde bewachen, gegen 21 Uhr zwei unbekannte Personen auf einem Motorrad. Einer von ihnen stieg ab, stellte sich an den Weidezaun gegenüber, so als ob er urinieren würde, danach verschwanden die beiden wieder in Richtung Stadt. Unsere Wachleute vermuten, dass sie andere Absichten hatten, die sich jedoch nicht weiterverfolgten, als sie die Wachposten sahen.

Noch einmal wollen wir allen danken, die uns in unserem Widerstand begleiten und stärken. Ihre Botschaften und Glückwünsche waren uns gerade an unserem 23. Jahrestag außerordentlich wichtig.

„Der Tod bleibt der effektivste Weg, um jeden loszuwerden, der sich nicht unterwirft.“

CdP de San José de Apartadó – Bericht vom 7.3.2020
Übersetzung 14.4.2020/bfk/wk

Schon wieder ist es notwendig, dass sich unsere Friedensgemeinschaft von San José de Apartadó an das Land und die Welt wendet um die aktuellen Aktionen der Paramilitärs zu dokumentieren denen wir ausgesetzt waren und die immer wieder ihre zunehmende Dominanz in unserer Region zeigt.

Vor 23 Jahren haben wir uns als Friedensgemeinschaft niedergelassen, wir wollten uns nicht in den bewaffneten Konflikt verwickeln lassen und weigerten uns selbst Waffen einzusetzen oder in irgendeiner Weise mit irgendeiner Art von bewaffnetem Gruppen zusammenzuarbeiten. Seitdem sind die Angriffe im Gange, bestehend aus Morden, Verschwindenlassen, Folter, illegaler Inhaftierung, Bombenanschlägen, Vertreibung, Verleumdungskampagnen, Verleumdungen, Plünderungen, Zerstörung von Häusern und Kulturen, Raubüberfällen und bewaffneten Angriffen, bewaffneten Überfällen auf unsere Räume, Drohungen, Vergewaltigungen, Schändung von Leichen und Gedenkstätten, Invasionen, paramilitärische Kontrollen und Stigmatisierungen aller Art, durch die Macht legaler und illegaler Waffen. Monat für Monat haben wir alle Aggressionen gegen uns, die Komplizenschaft der Regierung und der Institutionen des Staates protokollieren all diese Barbarei gegen denjenigen, der in unserer Region und im Rest des Landes anders denkt.

Der Tod bleibt der effektivste Weg, um jeden loszuwerden, der sich nicht unterwirft.

In den letzten zwei Jahren hat das paramilitärische System, das System das für die Regierung die Drecksarbeit erledigt, Listen erstellt mit Namen von Menschen die getötet werden sollen, zusätzlich zu den Hunderten von Menschenleben, die bereits beseitigt wurden. Listen für Tötungen, die auch tatsächlich ausgeführt werden. Die Kontrollorgane, also die Justiz und die Exekutive, angeführt vom Staatspräsidenten, der der Verfassung zufolge der oberste Hüter der Menschenrechte sein müsste, tolerieren dieses Geschehen, obwohl sie doch Grundlagen wie das Recht auf Leben, Integrität und grundlegende individuelle und kollektive Freiheiten garantieren müssten.

In den letzten Tagen waren wir wieder mit der Zerstörung eines zivilen Lebens durch die Paramilitärs konfrontiert und mit der routinemäßigen Reaktion des Staates: Sie können nicht einmal zur Beseitigung der Leiche gehen, weil „es keine Sicherheitsbedingungen für die Staatsbediensteten gibt.“

Wir fragen uns, über welche Art von Unsicherheit gesprochen wird, wenn Armee, Polizei und andere offizielle Institutionen täglich in der kleinen Stadt San José mit den Mitgliedern und dem Kommando des Paramilitarismus leben, einer Struktur, die für dieses jüngste Verbrechen verantwortlich ist und die Todeslisten erstellen.

Daher hat unsere Gemeinschaft keinen Zweifel, dass die verschiedenen staatlichen Kräfte, die bei uns präsent sind, verantwortlich sind für die gegenwärtige Lage. Die 17. Heeresbrigade und die Polizei von Urabá räumen zwar ein, dass sie unsere Aufzeichnungen über die Paramilitärs zur Kenntnis nehmen: Wo sie sich bewegen, welche Gewalttaten sie verüben, welche Alias- und oft auch welche echten Namen sie tragen, welche Nummern die Handys haben, von denen aus sie uns bedrohen und von denen aus sie sogar Videos verschicken, auf denen ihre illegalen bewaffneten und uniformierten Truppen zu sehen sind, die sie auf Fincas der Region zusammenziehen. Aber: nie passiert etwas, alles geht genauso oder noch schlimmer weiter.

Die Fakten, die wir wie immer aufgezeichnet haben, sind dieses Mal wie folgt:

In den Tagen vor dem 21. Februar 2020 (15.Jahrestag des schrecklichen Massakers von Mulatos und La Resbalosa bei dem Paramilitärs und reguläre Soldaten fünf Erwachsene und drei Kinder, darunter ein 21 Monate altes Baby, abschlachteten) hätten die Paramilitärs nach Angaben der örtlichen Bevölkerung ein Treffen mit der Zivilbevölkerung auf dem Mulatos-Hügel abgehalten.

Am Sonntag, den 23. Februar 2020, stieß ein junger Paramilitär, der in der Region als „KALET“ bekannt ist, Drohungen gegen unsere Friedensgemeinschaft aus. Kalet erklärte: er werde „nicht ruhen, bis ich nach La Holandita gehe und das Blut dieser verdammten Gemeinde fließen sehe“.

Am selben Sonntag, dem 23. Februar 2020, hatte die Armee nach Informationen von Dorfbewohnern ein Treffen in der Gemeinde Nuevo Antioquia, die zu Turbo gehört, offenbar um über die neue Straße Nuevo Antioquia/Playa Larga, Rodoxali/La Esperanza/Mulatos zu sprechen, für die bereits eine Trasse geschlagen wird. ohne dass irgendeine offizielle Genehmigung dafür erteilt worden ist. Unseren Informationen zufolge empfahl das Militär der Zivilbevölkerung, die Trasse weiterhin heimlich zu öffnen, und zwar mithilfe von Maschinen der Brigade, um Tatsachen zu schaffen, denn dann bleibe der Regierung nichts anderes übrig, als die Straße nachträglich zu genehmigen. Genauso äußerten sich letztes Jahr die Paramilitärs in verschiedenen zu San José de Apartadó und Tierralta Córdoba gehörenden Dörfern. Sie forderten deren Bewohner auf, ihnen bei der illegalen Verlegung von Stromleitungen zu helfen, die der offizielle Energieversorger EPM dann nachträglich genehmigen müsse, weil sie nun schon mal vorhanden seien.

Am Mittwoch, den 26. Februar 2020, befand sich eine Gruppe von Paramilitärs in Zivil und mit Handfeuerwaffen in einer Wohnung, etwa 180 Meter vor der Stadt San José am Fluss Cuchillo, wo sie Alkohol konsumierten und mit ihren Waffen die Passanten einschüchterten.

Mittwoch, den 26. Februar 2020, wurde in der Nähe von Mulatos Altos Medio de San José de Apartadó eine hohe Präsenz von Paramilitärs mit militärischer Kleidung und Gewehren festgestellt.

Am Donnerstag, den 27. Februar 2020, durchquerten zwei Paramilitärs, die privaten Räume unserer Friedensgemeinschaft in der Gemeinde Mulatos Medio, unser Friedensdorf „Luis Eduardo Guerra“ mit Handfeuerwaffen und Funkgeräten um sie auszuspionieren.

Am Freitag, den 28. Februar 2020, wurde unsere Friedensgemeinschaft über eine Gruppe von vermummten Paramilitärs, die sich zwischen den Dörfern El Salto, El Guineo und El Gas, von San José de Apartadó aufhielten informiert. Nach Angaben von Dorfbewohnern bedrohten diese Paramilitärs dort eine Familie, die auf ihrem eigenen Land arbeiten wollten, sodass sie sich aus Todesangst zurückzogen.

Am Samstag, den 29. Februar 2020, zwischen 6:00 und 7:00 Uhr wurde Herr Amado Torres auf dem Weg La Miranda, San José de Apartadó in der Nähe seines Hauses getötet. Er war ein Siedler dieses Gebiets und ein Mitglied der Junta de Accién Comunal. Mehreren Berichten zufolge erreichten Uniformierte sein Haus, zogen ihn heraus und töteten ihn mit mehreren Schüssen in den Kopf.

Sein 20-jähriger Sohn Carlos Andrés Torres war am 9. April 2013 auf dem Weg von Caracola von Soldaten der Nationalarmee getötet worden, als er nach Hause gehen wollte, nachdem er landwirtschaftliche Produkte zum Verkauf nach Caracola gebracht hatte. Alles zeigt, dass sein Vater, Don AMADO, bestraft werden sollte, weil er den Paramilitärs die Autonomie über seine Farm demonstrieren wollte und sich nicht ihren Forderungen unterwarf, ihnen die Ressourcen seines Betriebs zu geben und sich weigerte, ihnen die illegalen Steuern oder „Impfstoffe“ zu zahlen, die sie verlangten.
Die Justizbehörden weigerten sich, in das Gebiet zu gehen und die Exhumierung des Körpers durchzuführen. Sie führten ironischerweise „Sicherheitsgründe“ an, wo doch jedermann ihre Nähe und Komplizenschaft mit den Paramilitärs wahrnimmt und von der Garantie der überwältigenden Straflosigkeit, die hauptsächlich verantwortlich für die herrschende Kriminaliät in der Region ist, weiß. Zufälligerweise war Präsident Ivan Duque an einem Tag zusammen mit dem ehemaligen Präsidenten Alvaro Uribe in Apartadó, angeblich um workshops zu besuchen, die das Ziel „das Land aufbauen“ hätten. Als er von dem Verbrechen erfuhr, spielte er es mit der Begründung herunter, dass es viele gewalttätige Gruppen in der Gegend gebe. Statt ihre Aufgabe durch den Nationalen Polizeikommandanten General Óscar Atehortúa professionell erfüllen zu lassen, setzten Justizbehörden Belohnungen – 20 Millionen (€4660) – für zivile Informanten aus, wenn sie über die Täter Auskunft geben. So wird in Kolumbien die Aufgabe krimineller Ermittlungsorgane mit einer perversen Methode ersetzt. Diese Methode öffnet Manipulationen und Fehlinformationen Tor und Tür und greift die öffentliche Moral an. Die Menschen lernen so, dass Strafverfolgung eine lukrative Sache ist, so wächst der Nährboden für falsche Zeugenaussagen und das moralische Gewissen wird immer weiter zerstört.

Am Sonntag, den 01. März 2020, kam die Information an unsere Friedensgemeinschaft, dass Paramilitärs Fortschritte beim erzwungenen Verkauf von Land im Caraballo-Gebiet der Arenas Bajas, von San José de Apartadó machen. Es gibt bereits viele Grundstücke, die diese paramilitärische Gruppe durch die Bedrohung ihrer Besitzer erworben hat, die ihnen das Eigentum aus Angst vor dem Tod verkaufen.
An diesem Sonntag, dem 01. März 2020, in den Stunden der Nacht, wurde Herr JOSO POLICARPO CATANIO, im Weiler San José, von drei Männern, die angeblich Teil der Paramilitärs sind, mit dem Tode bedroht, sie sind in der Gegend bekannt. Es ist Dario Tuberquia, zuständig für Drogenhandel außerdem Jairo Borja und Yeison Osorno. Sie waren im Begriff, ihn mit Gewehren zu erschießen.

Am Montag, den 02. März 2020, erreichten unsere Friedensgemeinschaft Informationen über eine Liste, die wohl in San José unter den Paramilitärs zirkuliert. Diese Liste setzt die Liste, fort auf der die bereits Getöteten standen. Es sind: Deimer Usuga am 16. Januar 2019, Yeminson Borja am 7. Juli 2019, Weber Andrés am 18. August 2019 und Amado Torres am 29. Februar 2020 und es scheint, dass der Inhalt dieser Liste vervollständigt wird mit Namen von Einheimischen und Mitgliedern unserer Friedensgemeinschaft, deren Ermordung bereits vorbereitet wird.

Wir stellen ferner fest, dass wir am 19. Juni 2019 einen Rechtstitel in der Präsidentschaft der Republik (Rad: Ext 19-00060721) mit 86 Aufzeichnungen über Übergriffe haben, die zwischen dem 7. August 2018 und dem 23. Mai 2019 gegen unsere Friedensgemeinschaft begangen wurden, unter Berufung auf die Artikel 2,6,18 und 189 der Landesverfassung, die Artikel 7,11 und 20 des Verwaltungsgerichtsgesetzes (Gesetz 1437 von 2011) und das Urteil SU 1184/01 des Verfassungsgerichtshofs, Nr. 16-17. Präsident Duque leitete dieses Dokument an das Verteidigungsministerium weiter, entgegen dem allgemeinen Rechtsverständnis, nach dem die beschuldigte Institution nicht selbst über die gegen sie vorgebrachten Beschuldigungen befinden darf.

Am 17. Dezember 2019 verschickte der Kommandeur der Siebten Division eine 32-seitige Antwort der Brigade XVII, die sich auf 81 der 86 Punkte bezog. Nur in einem einzigen Fall (13. März 2019) räumt er ein, dass es eine militärische Präsenz in Mulatos gab und dass die Armeetruppen, die sich in einer angeblichen Konfrontation mit einer anderen bewaffneten Gruppe befanden, Schüsse abgegeben haben.
In allen anderen Fällen heißt es, dass die Armeetruppen von den Orten der Ereignisse entfernt waren (zwischen 4 und 11 Kilometern). Es wird behauptet, dass die Meldungen über die Übergriffe der Paramilitärs so spät kamen, dass das Militär nicht mehr eingreifen konnte oder dass die Fakten nicht klar sondern konfus sind, mit prekären Informationen, obwohl alle Koordinaten von Zeit, Ort und fiktiven oder realen Namen der Opfer angegeben wurden und in mehreren Fällen die Handynummern der Bedrohenden.

Diese Reaktion der Regierung offenbart erneut, was wir als Friedensgemeinde seit 23 Jahren immer wieder erlebt haben: Paramilitärs bewegen sich frei im gesamten Gebiet, treiben die Bewohner der Gemeinde zusammen, zwingen ihnen Regeln auf, bedrohen sie und kassieren illegale Steuern von ihnen – aber nie ist das Militär in der Nähe!.
Alles scheint ganz genau koordiniert, so dass die Armee, wenn die Auseinandersetzungen stattfinden, 4 oder mehr Kilometer entfernt ist und somit erklären kann, dass sie die Tatsachen „nicht gewusst“ hat. Wenn dann die Anschuldigungen oder Beweise auftreten, beteuern sie stets, dass sie Geheimdienst- und Kontrolloperationen durchführen, um die Gemeinschaft zu schützen und zu versuchen, Mitglieder des „Golf-Clans“ zu herauszufiltern.

Diese Para-Truppe ist ihr virtueller und theoretischer Feind, denn sie treffen nie auf ihn. Aber sie halten die paramilitärische Struktur nicht für illegal, die hinter den konkreten Namen jener Männer steht, die die Friedensgemeinde in ihren Anzeigen benennt und mit denen die Armee ebenso wie die Polizei im Weiler San José auf vertrautem Fuß stehen.

Unsere Gemeinschaft versteht, dass die Sicherheitskräfte keine gerichtlichen Befugnisse hat und sich deshalb die Hände in Unschuld wäscht angesichts der absoluten Straflosigkeit aller Delikte. Der Präsident und die verschiedenen Institutionen des Staates wissen sehr wohl, dass unsere Gemeinschaft nicht vor Gericht geht, weil sie seit mehreren Jahrzehnten bis zum Überdruss erlebt hat, dass dieser Apparat nicht gerecht ist und nur Straflosigkeit und Korruption hervorbringt und außerdem verfolgt er Whistleblower und Zeugen. Es ist tragisch, dass sich die obersten juristischen Instanzen geweigert haben, unseren Beschuldigungen nachzugehen, die Korrupten zu bestrafen und sie im Gegenteil sogar im Amt zu belassen. Die Ethik und das Gewissen verbieten uns, mit so einem verfaulten System zusammenzuarbeiten.

Bei den Friedensverhandlungen in Havanna verpflichtete sich die Regierung, den Paramilitarismus zu beseitigen. In unserer Gegend ist seine Macht gerade nach dem Friedensabkommen noch gewachsen, und sie wächst täglich weiter, und dabei verspürt man nicht die geringste Anstrengung des Staates, dem Paramilitarismus die Grenzen aufzuzeigen oder ihn endlich auszuradieren. Wie die nationale und internationale Gemeinschaft dies jedoch zur Genüge weiß, hat die Regierung den Paramilitarismus erheblich gestärkt, anstatt ihn zu beseitigen. Es gibt also eine große Verantwortung der Regierung, sie sollte sich nicht hinter der Verantwortung der internationalen Gerichte verstecken.

Während wir Beweise für unsere Tragödie sammeln und sie mit der ethischen Welt teilen, wertschätzen wir zunehmend die moralische Unterstützung von Menschen und Gemeinschaften aus zahlreichen Räumen Kolumbiens und vielen anderen Ländern auf der ganzen Welt, die uns ihre mit ihrer Solidarität Mut machen. Ihnen allen möchten wir wieder einmal aufrichtig danken.

Zivilbevölkerung ist vielfältigen Manipulationen ausgesetzt

CdP de San José de Apartadó – Bericht vom 5.2.2020
Übersetzung 10.2.2020/bfk/wk

Unsere Gemeinde San José de Apartadó macht wiederum Ereignisse bekannt im Land und in der Welt, um die dauernden Belästigungen zu beenden.

Wie in den vergangenen 23 Jahren des zivilen Widerstandes unserer Friedensgemeinde so sind wir weiterhin in Sorge, weil unsere Rechte und unsere Würde durch Gewalt und Aggressionen kontinuierlich angegriffen werden. Weiterhin sind die Paramilitärs präsent und dominieren die Region dank der Duldung oder Unterstützung staatlicher Institutionen. Neuerdings planen die Paramilitärs Erwachsene sowohl als auch Minderjährige aus dem Bezirk San José zwangweise zu rekrutieren. Rekrutiert und ausgebildet werden Leute aus den Gemeinden Chigoradó, Mutatá und andere Orte in Urabá Antioqueño und Chocó erhalten den Aussagen der Bevölkerung zufolge, militärisches Training.

Was am meisten Sorgen bereitet ist die Nutzlosigkeit der anwesenden Militär- und Polizeikräfte in San José de Apartadó. Seit 2005 besteht hier eine Militärbasis und ein teurer Polizeibunker. Das ist gegen die Menschenrechte und gegen das Verbot des Verfassungsgerichts mitten unter der Zivilbevölkerung und der Schulen Militärbasen zu errichten. Es gibt auch eine Zusammenarbeit mit den Paramilitärs, die mit Erlaubnis des Militärs neue Mitglieder rekrutieren, illegale Steuern erheben und immer wieder unsere Friedensgemeinde bedrohen. In den letzten Wochen wurde bekannt, dass die bekannten Paramilitärs „RENE“ und „EL BURRO“ nach San José kamen begleitet von Bewaffneten und um unter den Augen der Polizei rekrutieren und erpressen zu können.

Hier nun die Vorfälle der letzten Wochen:

Sonntag, 19. Januar 2020
Tagsüber, so berichten Einwohner von San José, kam „RENÈ“, der bekannte Paramilitär, der das Kommando über eine illegale mit Handfeuerwaffen bewaffnete Gruppe im Bereich San José übernommen hat, ins Stadtgebiet, wo eine ständige Präsenz der Sicherheitskräfte besteht. Scheinbar koordiniert er dort die Erpressung der Händler.

Samstag, 25. Januar 2020
Tagsüber gab es schwere Todesdrohungen von Paramilitärs, aus den Bezirken Mulatos, La Resbalosa, La Hoz und Rodoxali, (San José de Apartadó) gegen Hugo Molina, Mitglied unserer Friedensgemeinde. Laut Paramilitärs drohten sie ihm, weil er den Besitztitel einer Finca nicht abgeben wollte. Die Besitzer dieser Finca, die Familie Molina, waren zuvor von denselben Paramilitärs, die sich in dieser Gegend von Rodoxalí befinden, enteignet worden.

Die Woche vom Montag 20. bis Sonntag 26. Januar 2020
In der Woche erschien ein Paramilitär, bekannt als „EL BURRO“, offenbar Kommandant, der für die Zwangsrekrutierung minderjähriger Jugendlicher in der Zone von San José de Apartadó verantwortlich ist.
Diese werden dann nach Chigoroda und in den Chocó zur militärischen Ausbildung gebracht damit sie später Kommandeure eskortieren und schützen, die früher Mitglieder der FARC-EP waren und jetzt als paramilitärische Kommandeure dienen, bekannt als „LEON“ oder „LA FIERA“ und „SOPA“. Andere paramilitärische Kommandeure, auch ehemalige Mitglieder der FARC-EP, die in der Gegend anwesend und unter dem Pseudonym „EL BURRO“ und alias „RENE“ bekannt sind, hatten alias „RAMIRO“ geschickt, ein Mitglied der Paramilitärs, dessen Bereich die Gemeinde San José ist und auch andere Jugendliche kamen wohl rekrutiert aus anderen Zonen. Diese Leute hatten die Aufgabe zu begleiten und nach Informationen von „Ramiro“ wurden allerdings einige von ihnen getötet. Alias “EL BURRO” war schon seit Wochen auf dem Motorrad hin- und hergefahren zwischen Apartadó und der Gemeinde San José und spionierte unsere Friedensgemeinde aus.

Montag, 27. Januar 2020
Unsere Friedensgemeinde wurde über einen neuen Belagerungsplan der Finca La Roncona informiert, die unserer Gemeinde seit 22 Jahren gehört und an der sie ganz klare Besitzrechte hat. Momentan gibt es einen Rechtsstreit, den die Familie Jaramillo angestrebt hat, obwohl sie den Besitz schon viele Jahre verlassen hatte. Nach unseren Informationen steht derselbe neue Bürgermeister von Apartadó (Felipe Cañizalez) hinter dieser Invasion, der auch die Eindringlinge zur Finca de la Alcaldia de Apartadó dazu aufgefordert hat. Diese Finca wurde vom Bürgermeister in der Stadt San José zur Zeit des übelsten bewaffneten Konflikts gekauft, um den Flüchtlingen vom Land Platz zu bieten damit sie besser in unsere Friedensgemeinde vordringen können.

All das zeigt, dass der Bürgermeister seiner Verantwortung, Gebiete zu suchen, wo Familien Grund und Boden haben können, nicht nachkommt, sondern die perverse Strategie verfolgt, ganz legal auf die von unserer Friedegemeinde gekauften Grundstücke einzudringen und zu besetzen.

An demselben Montag, 27.Januar 2020 drang Herr Elkin Ortiz, Einwohner von San José in der Finca de la Alcaldia de Apartadó,in unsere Finca La Roncona ein um Zäune und Pflanzen zu zerstören. So hatte er es schon zu anderen Gelegenheiten getan, angestiftet von denselben Paramiliärs, die behauptet hatten, dass sie sich nun des Ortes bemächtigen würde, sodass der Verdacht aufkommt, dass auch hinter dieser Sache wieder der Alcalde Felipe Cañizalez steckt, der ja in unser Gebiet vordringen möchte, um dort die Eindringlinge unterzubringen.

Dienstag, 28. Januar 2020
Am Morgen kam uns der Plan der Junta de Acción Comunal der Region zu Gehör, dass das Denkmal, mit dem unsere Friedensgemeinde an die 6 Mitglieder unserer Gemeinde erinnert, die bei dem Massaker am 8. Juli 2000 von den Militärkräften der 17. Brigade in Abstimmung mit den Paramilitärs getötet wurden, zerstört werden wird. Dieses Denkmal wurde an der gleichen Stelle des Massakers gebaut und wurde seitdem zu einem heiligen Ort der blutigen Erinnerung an unsere Gemeinschaft in Abstimmung mit den betroffenen Familien errichtet. Wir verstehen nicht, warum das Kommunale Aktionsgremium jetzt gegen unser Gedenken kämpft. Es wird gesagt, dass der Gemeindevorstand, anstatt die Erinnerung an die Opfer zu schützen, das Angebot des Bürgermeisters von Apartadé begrüßen will, der anscheinend angeboten hat, dort ein Sportzentrum zu bauen, mit dem Zweck, ganz offensichtlich, die Erinnerung an unsere Opfer auszulöschen. Im Folgenden wurden wir informiert, dass die Junta sich nun mit der Polizei und dem Bürgerbeauftragten beraten wird.

Mittwoch, 29. Januar 2020
Um 5.50 am Nachmittag überfiel eine Gruppe von 5 uniformierten Militärangehörigen ausgerüstet mit Gewehren der Militärbasis von San José de Apartadó, die Eingänge unserer Siedlung San Josesito de Apartadó und schreckten nicht davor zurück eine ältere Person, Jaime Montoya, der angeblich Geld, das er zuvor beantragt hatte, holen wollte, zu beauftragen Geld zu holen. Er behauptete unsere Gemeinde habe ja viel Geld. Alles zeigt, dass die Paramilitärs ihn dazu veranlassten, indem sie einen Vorwand fanden, um unser Gebiet zusammen mit den Sicherheitskräften zu betreten, und dass das Militär selbst eine ältere Person benutzte, um unsere privaten Räumlichkeiten nach Informationen und Lage der Familien unserer Friedensgemeinschaft zu durchsuchen.

Sonntag, 2. Februar 2020
Um 18 Uhr verschaffte sich wieder Herr Elkin Ortiz Eintritt in unser Privateigentum, nämlich die Finca La Roncona. Dieses Mal wurde er begleitet von einem früheren Mitkämpfer der FARC-EP, der auch im Stadtgebiet von San José wohnt. Vermutlich angestiftet von den Paramilitärs, um mehr Zerstörung der Zäune und Pflanzen zu verursachen.

Montag, 3. Februar 2020
Tagsüber schickte die Junta de Acción Comunal von Mulatos Medio 2 Maultiertreiber mit 8 Maultieren, die beladen mit Sandsäcken in unsere Siedlung Aldea de Paz Luis Eduardo Guerra kamen und die Ladung abluden. Dabei missachteten sie die Tatsache, dass für die Friedensgemeinde seit 15 Jahren diese Stelle heilig ist, da 2005 dort unser früherer Anführer Luis Eduardo Guerra und seine Familie umgebracht wurden. Die Tatsache, dass dort Sand abgeladen wird, beweist, dass es einen Plan gibt, gewaltsam unseren Grund und Boden zu besetzen. Dahinter stecken noch andere Kräfte als die Junta comunal, und das steht in engem Zusammenhang mit den anderen Plänen, die Erinnerung an frühere Untaten und Massaker auszulöschen, so ähnlich wie im Weiler La Unión, wo – siehe 28. Januar – sich die Junta Comunal anschickt, das Denkmal zur Erinnerung an den Mord zu zerstören, den die Paras im Jahr 2000 an sechs unserer Gefährten verübten.

Dienstag, 4. Februar 2020
Tagsüber kam wiederum die Junta de Acción Comunal des Bezirks Mulatos Medio. Sie kamen zurück und luden wieder Sand ab es sind nun 19 Ladungen auf einem Gebiet, das ihnen nicht gehört.

Es ist offensichtlich, dass die Paramiliärs die Zivilbevölkerung benutzen, um unsere Friedensgemeinde anzugreifen, sei es um Zäune und Felder zu zerstören oder wie im Fall unseres Grundstücks La Roncona, um Informationen zu erhalten. Wie geschehen im Fall der Einflussnahme auf Herrn Montoya durch das Militär und die Paramilitärs. Zudem wird ja auch aufgefordert in die Gemeinde vorzudringen – wie es der Bürgermeister von Apartadó schon tut – um unsere heiligen Stätten zu zerstören und damit die Erinnerung an unsere Opfer auszulöschen wie schon geschehen im Fall der kommunalen Juntas La Unión und Mulatos Medio. Der Paramilitarismus hat die Kontrolle, ohne selbst von irgendjemandem in seinem Tun gestört zu werden, das sagen die Paramilitärs selbst auch so. Sie machen Pläne wie sie Mitglieder unserer Gemeinschaft bedrohen können. Sie planen unsere Bauernschaft mit illegalen Steuern zu kontrollieren und sie allen Arten von Drohungen und Erpressungen auszusetzen. Leider unterstützen die staatlichen Organe all das oder tolerieren zumindest die Pläne mit ihrer Politik. Sie stellen sich taub und verschränken die Arme.

Am 21. Februar werden wir des Massakers der Mulatos und La Resbalosa vor 15 Jahren gedenken. Taten, die weiterhin straffrei bleiben, weil die Schuldigen auf ungeheuerliche Art von der Richterin Claudia Rocío Saldaña entlastet wurden, die im System der Friedens-Übergangsgerichtsbarkeit tätig ist.
Die Richterin CLAUDIA SALDA-A der JEP (Sonderjustiz für den Frieden )Kammer für die Definition der Rechtsordnung erließ tatsächlich am 30.Dezember 2019 die Resolution 008169 und setzte damit Haftbefehle von 3 bereits von der höheren Instanz, dem Bundesgericht verurteilten Täter aus. Zugleich gewährte die Richterin den drei Tätern die Vorteile der Übergangsgerichtsbarkeit, die bereits weitere zehn Militärs genießen, die früher wegen des schrecklichen Massakers verurteilt worden waren. Damit verstieß sie jedoch gegen das Gesetz, das der Übergangsgerichtsbarkeit zugrunde liegt, weil das bestimmt, dass die Täter, die in den Genuss des Straferlasses kommen wollen, geständig sein und die volle Wahrheit über die Verbrechen offenbaren müssen – eine Bedingung, die die Täter jedoch nicht erfüllten. Auf diese Art und Weise mündet die Übergangsgerichtsbarkeit in der Praxis in eine offene und herausfordernde Politik der Straffreiheit, und zwar nicht nur durch die Missachtung seiner eigenen juristischen Grundlage, sondern auch dadurch, dass nun die Übergangsgerichtsbarkeit und ihre Vorzüge Tätern zugutekommen, für die die Übergangsgerichtsbarkeit gar nicht gedacht ist. Denn in den fraglichen Fällen handelt es sich um Täter, die zwar barbarische Verbrechen begangen haben, aber diese Verbrechen standen in keinerlei Verbindung zum bewaffneten Konflikt. Nur mit absurden Argumenten oder mit perversen Manipulationen könnten sie nämlich behaupten, dass Mitglieder unserer Friedensgemeiner in irgendeiner Weise an kriegerischen Aktivitäten beteiligt gewesen seien. Denn das Grundprinzip unserer Friedensgemeinde ist es ja gerade, an dem bewaffneten Konflikt nicht teilzunehmen und mit keiner der Parteien auf irgendeine Weise zusammenzuarbeiten.

Über das Gesetz hinaus, selbst in seinen willkürlichsten Versionen und entgegen aller Vernunft, steht das JEP selbst im Gegensatz zu jeglicher Justiz und gegen die Ethik. Unsere Friedensgemeinde wird immer auf der Seite einer wahrhaftigen Justiz stehen, die diejenigen unterstützen, die selbst die Schrecken des Krieges und des Staatsterrorismus erlitten haben und wird eine echte moralische Unterstützung geben. Sie wird nicht einer Gerechtigkeit das Wort reden, die die geistigen Urheber der Barbarei deckt und diejenigen belohnt, die für das Grauen verantwortlich sind, aber dennoch von aller Schuld freigesprochen werden.

Wir können all jenen Menschen und Organisationen, die an unseren Widerstand geglaubt und uns persönlich, moralisch und politisch unterstützt haben nur von ganzem Herzen danken. Heute laden wir euch ein nicht aufzugeben, denn eure Unterstützung aus der Ferne stärkt uns und erfüllt uns mit Kraft sodass wir weitermachen können.

Die Pandemie, die tatsächlich in Urabá tötet

CdP de San José de Apartadó – Bericht vom 14.5.2020
Eingesandt von cdpsanjose el Jue, Übersetzung 28.5.2020/bfk/wk

Wieder wendet sich unsere Friedensgemeinschaft von San José de Apartadó an euch alle, um euch über die Vorkommnisse in unserem Gebiet und der Umgebung zu informieren. Immer wieder werden Menschenwürde oder verfassungsmäßige Prinzipien und Grundsätze der Menschenrechte verletzt.

Die globale Pandemiesituation, hat auch in San José zu drastischen Maßnahmen der Isolation und extremen Einschränkung der Mobilität und der sozialen Beziehungen geführt. Sie bedroht uns, obwohl es noch keine Todesfälle hier im Gebiet gibt und obwohl auch noch keine Ansteckungen gemeldet sind. Auch an die Dominanz des Paramilitarismus sind wir ja seit vielen Jahrzehnten gewöhnt aber nun ergibt sich eine zusätzliche Gelegenheit für sie – die ja sowohl die volle Unterstützung und den Schutz des Staates, als auch der führenden sozialen Schicht genießen – eine noch stärkere Kontrolle und territoriale Herrschaft auszuüben, als verlängerter Arm des Staates, der hier auch keinerlei Kontrollfunktion auszuüben scheint.

Während die Paramilitärs in San José die Mobilität der Bürger einschränken – z.B. Zutrittsverbote für Verwandte und Besucher – laufen sie selbst bewaffnet, manchmal in Tarnuniformen, manchmal in zivil durch das Gebiet und veranstalten Trinkgelage wohl wissend, dass ihnen keiner etwas anhaben kann.

Am 12. März urteilte die zuständige Kammer des Obersten Gerichts von Antioquia, die Ländereien der Farm La Nina im Dorf California de Turbo müssten an elf früher vertriebene Familien zurückgegeben werden.  Gleichzeitig ordnete das Gericht eine umfassende strafrechtliche Untersuchung der Menschenrechtsverstöße an, derer sich, wie das La-Nina-Verfahren ergab, die Unternehmen Bananeras de Urabá und Banacol schuldig gemacht haben. Beide Firmen haben jahrelang die Vertreibungen geplant und ausgeführt, wobei sie sich der von ihnen geförderten und finanzierten paramilitärischen Strukturen bedienten.  Dies offenbart die enge Beziehung des Bananenunternehmers Urabé mit dem organisierten Verbrechen.

Andererseits erklärte der Bischof von Apartadó Hugo Alberto Torres Maron in einem Interview mit der Zeitung El Espectador am 20. April (2020), dass er auf Seiten der nationalen Regierung keine Bereitschaft sehe, paramilitärische Strukturen zu kontrollieren, vor allem nicht die so genannten AGC oder „Clan del Golfo“ – wie die Regierung die Paramilitärs bezeichnet -, obwohl diese Truppe der wichtigste Gewaltakteur der Region ist. Der Bischof kennt die Hintergründe gut, da er bei dem Friedensprozess zwischen den Seiten vermittelt und bei der Umsetzung des Friedensvertrags unterstützt hat.

Die Bewertung der von der kolumbianischen Regierung getroffenen Maßnahmen in Zeiten der Pandemie fällt uns nicht leicht. Aber man merkt schon, dass die strikten Schutz- und Vorsorgemaßnahmen zur Eindämmung des Virus auf deutliche Art und Weise die Eindämmung der Welle sozialer Proteste bewirkt hat, die sich seit November 2019 stark aufgebaut hat.

Die Maßnahmen gegen das Virus kaschieren die stark sinkende Popularität von Staatspräsident Iván Duque und die wachsende Ablehnung seiner Politik ebenso wie die Nichterfüllung des Friedensabkommens, die systematische Ermordung von sozialen Führungsfiguren und Demobilisierten. … Durch den Kampf gegen das Corona-Virus ist alles das aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit verdrängt: Wahlbetrug und Korruption im Staat sind auf einem nie dagewesenen hohen Niveau, des Weiteren beobachten wir zerstörende Umweltpolitik, exorbitante Ausgaben für das Militär und die Sicherheit hoher Politiker, die in den vergangenen Wochen bekanntgewordene Bespitzelung einer Vielzahl von Personen und die Einmischung krimineller Regierungen in die Innenpolitik

und zur selben Zeit die Einmischung von Kolumbien in souveräne Entscheidungen anderer Staaten und Verstöße gegen zahlreiche internationale Verträge. Die Massenmedien haben stark zu diesen Verschleierungen beigetragen, um der Gefahr der Ansteckung eines biologischen Virus entgegenzutreten. Aber die Ansteckung durch ein Virus, das die Ethik und die Grundlagen des menschlichen Zusammenlebens zerstört, ist ihnen dabei egal.

Bei dieser Gelegenheit wollen wir Fakten veröffentlichen, die die Ausbreitung der paramilitärischen Macht in unserem Hoheitsgebiet zeigen:

Bewohner aus dem Dorf von San José de Apartadó berichten, dass in der Woche vom 12. bis zum 18 April 2020 mehrere Personen (mindestens 5) aus dem Weiler rekrutiert wurden. Es waren auch Minderjährige dabei und alle sollten in der Gemeinde Playa Larga in ein traditionelles Ausbildungszentrum der Paramilitärs geführt werden.

Spät am Mittwochabend, 15. April 2020, erschienen 3 Personen eine von ihnen war eine Frau, im Haus eines Bürgers der Gemeinde Las Nieves und ohne sich auszuweisen forderten sie bei ihm übernachten zu können.

Am Morgen des 18.April 2020, einem Samstag marschierten 2 Paramilitärs in zivil mit Funkgeräten und Pistolen durch das Friedensdorf Luis Eduardo Guerra in das Dorf Mulatos Medio. Am Nachmittag desselben Tages wurden noch 3 Paramilitärs gesehen auch in zivil aber mit Gewehren.

Ebenfalls am 18. April 2020, wurde ein Dorfbewohner in einer Polizeikontrolle bei der Ankunft in Las Colinas, am Ausgang von Apartadó, festgenommen, als er versuchte, seinen Geschäften nachzugehen. Die Polizisten wollten seine Durchreise blockieren, erlaubten sie ihm aber dann doch angesichts weiterzugehen.

An einer anderen Kontrollstelle ca 300 m weiter, wurde er von einem Paramilitär in zivil festgehalten, dort muss normalerweise für die Passage Geld bezahlt werden. Nachdem er erklärte, dass die Polizei ihm bereits erlaubt hatte zu passieren, machten sie klar, dass die Entscheidung der Polizei hier unerheblich sei und er bezahlen müsse, um weitergehen zu können. Genauso kontrollieren die Paramilitärs seit einigen Wochen den Zugang zur Gemeinde Salsipuedes, von San José de Apartadó und verlangen Geld für den Durchgang. Dies zeigt wieder genau wie Paramilitärs die Pandemie für ihre Ziele ausnutzen.

Am Sonntag, den 19. April 2020, konsumierten in La Union mehrere paramilitärische Führer die ganze Nacht von Sonntag, 19. bis Montag, den 20. April Schnaps in großen Mengen, hörten laute Musik ohne auf die nationalen Regeln der Isolierung wegen COVID 19 zu achten. Am Montag darauf zogen sie in ein benachbartes Anwesen, um weiterzufeiern.

Da der Gemeindevorstand den Konsum von Spirituosen in dieser Zeit der Isolierung verboten hatte, verhängte er eine Geldstrafe von 600.000 Pesos (etwa € 145) gegen den einen Barbesitzer. Der betroffene Barbesitzer verteidigte sich aber, er sei von den paramilitärischen Führern alias „Chuchito“, „Ramiro“ und „Huhn“ dazu gezwungen worden auszuschenken. Sie seien die Autorität vor Ort und nun müsse der Barbesitzer ihnen den Schnaps aushändigen.

Um 23 Uhr am Montag 20. April 2020, liefen drei vermummte Paramilitärs durch den Weiler La Unión. Am selben Tag aber tagsüber war dort schon der paramilitärische Spion, bekannt als „El Cochero“, in Begleitung von drei Männern durch die Gemeinde El Porvenir gegangen.

Am Donnerstag, den 23. April 2020, trafen Informationen in der Friedensgemeinde ein, wonach der als „El Burro“ bekannte Paramilitär in derselben Woche an den Ort „Chontalito“ gekommen war, um den paramilitärischen Alias „Pablo“ zu treffen, mit dem Ziel die Kontrollstrategien für das Gebiet der Vereda Mulatos und die umliegenden Gebiete zu koordinieren und dabei die Situation der Quarantäne zu nutzen, die der gesamten nationalen Bevölkerung auferlegt wurde.

Am Samstag, den 25. April 2020, wurden sieben Paramilitärs in zivil aber mit Gewehren gesehen, als sie von der Gemeinde La Cristalina in Richtung der Stadt San José de Apartadó zogen.

Am Montag, den 4. Mai 2020, gegen 19:00 Uhr, waren mehrere Schüsse in der Innenstadt von San Jose zu hören. Eine Anti-Guerilla-Polizeigruppe, hat angeblich mehrere Schusswaffen beschlagnahmt, deren Träger jedoch, allesamt Paramilitärs laufen lassen. Nach dem Vorfall schlugen einige Polizisten vor, ein Fußballspiel zwischen Polizei und Zivilisten zu organisieren, was offen gegen Quarantäneregeln verstößt. Angeblich sei es für sie kein Problem aber sie wollten sicherheitshalber noch die Paramilitärs dazu befragen, sagten sie. Wieder ein Beweis für die Zusammenarbeit zwischen den beiden Gruppen.

Am Abend des 12. Mai 2020, einem Dienstag, wurde in der Gemeinde Alto Bonito de San José de Apartadó in einem Viertel Caño Seco, der 19jährige RAFAEL ANTONIO GUERRA LÒPEZ, ein junger Mann von 19 Jahren getötet. Wie in weiteren vier vorangegangenen Fällen 2019 – 2020 musste Rafael sterben, weil er sich weigerte, den Befehlen der Paramilitärs zu gehorchen.

Das allgemeine Schweigen, das über dem Dorf lastet, offenbart die absolute Kontrolle, die die Paramilitärs in der Gegend ausüben Die Paramilitärs haben in diesem Fall wohl auch jegliches Bestattungsritual verboten. Keine Autorität, weder gerichtliche noch administrative, kümmerte sich um diesen Fall.

Alle Beweise für die paramilitärische Kontrolle in der Region  werden seit der Demobilisierung des FARC-EP im Anschluss an das Friedensabkommen von 2016  der Präsidentschaft der Republik immer wieder durch Eingaben zur Kenntnis gebracht, es wurden Analysen, die die Komplizenschaft der offiziellen Institutionen mit ihren Handlungen und Strategien belegen vorgelegt.

Dennoch, so muss man aus den Antworten auf die verschiedenen Fragen schleßen, wiederholt Präsident Duque die Fehler seiner Vorgänger, indem er einfach die Informationen an die militärischen Entscheidungsträger weitergibt und nicht seinen verfassungsgemäßen Pflichten als Garant der Grundrechte nachkommt.

Wir danken nochmals allen Menschen und Gemeinschaften in den verschiedenen Ländern der Welt für ihre ständige Solidarität mit unserer Friedensgemeinschaft, und gleichzeitig solidarisieren wir uns mit vielen von ihnen, die jetzt unter drastischer Isolation, starken Einschränkungen leiden und den Verlust einiger ihrer Angehörigen beklagen. Wir fühlen uns alle in moralischer Gemeinschaft verbunden.