In stürmischer See geben uns unsere Prinzipien Halt

Wieder einmal sieht sich unsere Friedensgemeinschaft in der Verpflichtung, dem Land und der Welt Kenntnis zu geben von den aktuellen Geschehnissen, denen wir ausgesetzt waren. Die Paramilitärs, Hauptakteure in unserer Region, werden nicht in ihrem Tun gestört, nein, im Gegenteil: sie genießen wirtschaftliche und politische Unterstützung der Behörden, um sie bei der Unterwerfung der Bauern stark zu machen. Es scheint, als gewinne unsere Region immer mehr an Attraktivität, sowohl für die Wirtschaft als auch für Politiker, alle Art von Machthabern, für das Militär und die Paramilitärs. Für jeden von ihnen gilt nur, was den eigenen Interessen nutzt, dafür missbrauchen sie die Bevölkerung. Es gibt Bergbauunternehmen, die versucht haben, die Erze in dieser Serranía del Abibe (ein bis zu 2200 Meter hohes Gebirge südöstlich von Apartadó,  Anm. d. Ü.) abzubauen. Um die Gegend zu erschließen und Land zu enteignen, nutzen sie die Hilfe der Paramilitärs. Auf der anderen Seite versucht der Staat mit falschen Plänen über Verbesserung oder Öffnung der Straßen die Bauern zu täuschen. Mit der Waffengewalt der Militärs und Paramilitärs wird die Angst der Zivilbevölkerung geschürt, um sie zu unterwerfen.

In den letzten Monaten entstand unter der Leitung von César Jaramillo, dem Vorstand der Gesellschaft der Kakaoproduzenten, und der Regionalverwaltung der Plan, die Friedensgemeinde zu vernichten.
Der erste Schritt bestand darin,  Bewohner aus dem Ort La Esperanza zu versammeln und sie dazu zu bringen, Verleumdungen zu unterschreiben, um unsere Friedensgemeinde anzuklagen. Später wurden diejenigen, die dem Treffen ferngeblieben waren,  angerufen, um auch sie zur Unterschrift zu bewegen. Immerhin (Anm. d. Ü.) haben einige Organisationen und Personen César Jaramillo bereits wegen Beleidigung und Verleumdung ihrer Organisationen angezeigt. Wir wissen, dass sein Interesse darin besteht, eine große Zahl von Menschen zu erreichen und auf seine Seite zu bringen. Diejenigen, die seine Interessen behindern, versucht er zu vernichten. Dies liegt alles liegt im Interesse der 17. Heeresbrigade, die schon seit langem versucht, unseren Lebensprozess zu beenden.
(Im Folgenden wird an die vielen Vorkommnisse in den vergangenen Jahren erinnert, u. a. auch an das Massaker am 21. Februar 2005, bei dem fünf  Erwachsene und drei Kinder getötet wurden. Anm. d. Ü.)
Die Atmosphäre in unserer Region ist durch die hinterhältigen Machenschaften gegen unsere Friedensgemeinde belastet. Nun hat César Jaramillo einen sogenannten Schlichtungsplan vorgelegt, um   die Kräfte zu bündeln und die inneren Probleme zu lösen. Wir aber wissen, dass er nur ein Ziel hat: die gesamte Bevölkerung hinter sich zu bringen. Dafür gibt es zwei Gründe:
Erstens,  genug Macht zu haben, um unsere Friedensgemeinde zu vernichten und zweitens genug Wählerstimmen und Unterschriften zu bekommen,  um in den Kongress zu kommen.

Den Juntas de Acción Comunal (in der Verfassung vorgesehene Mitbestimmungsorgane auf lokaler Ebene, die in der Praxis oft den örtlichen Machthabern hörig sind, Anm. d. Ü.) von San José de Apartadó sagen wir als Friedensgemeinschaft: Ihr  seid in der Lage, in eurem organisatorischen Prozess in den Dörfern eigenständig voranzugehen, ohne euch unterwerfen zu müssen. Wir müssen alle verstehen, dass es Paramilitarismus und politische Interessen waren, die unsere Region zerstört haben.  Sie abzulehnen, muss eine Pflicht aller als Bauerngemeinden sein. Wir wollen ein Gebiet sehen, in dem der Bauer sich organisiert und versucht, seine Gemeinschaftsprojekte zu entwickeln, weit weg von den Menschen, die ihre eigenen Interessen über irgendjemanden suchen.
Der Bau von Straßen ist weiterhin eine wichtige Methode, um das Übel in unsere Gemeindegebiete einzuschleusen. Angeblich ist eine Versammlung im Dorf Playa Larga geplant,  auch die Regierung und Funktionäre aus Apartadó nehmen teil. Geplant sind die Legalisierung und der Ausbau der seit zehn Jahren bereits illegal von der 17. Heeresbrigade und den Paramilitärs  gebauten und genutzten Landstraße.

Über folgende Vorkommnisse wird im weiteren Verlauf berichtet:

Im August 2021 gab es verschiedene Treffen der Paramilitärs, in denen sie planten,  an welchen Versammlungen der Gemeinden sie teilnehmen,  um sich auf diese Art immer besser in die Gemeinden und die Juntas de Acción Comunal einzuschleusen.

25. August 2021:  Cesar Jaramillo und verschiedene andere Präsidenten von Juntas riefen per Audio alle anderen Juntas zusammen – auch Menschen, die nicht mit Jaramillos Plan einverstanden sind –, angeblich um sich zu versöhnen, vermutlich aber eher damit sie sich Jaramillo unterwerfen. Er fordert die Zivilbevölkerung auf,  sich zu demobilisieren, als handele es sich um eine bewaffnete Gruppe; eine deutliche Verleumdung der Bauern.

Im September 2021 erfuhren wir, dass Paramiliärs über Strohmänner Land in unserer Gegend (verschiedene Ländereien in Mulatos, Arenas, Playa Larga, y La Cristalina) kaufen. Auch Vertreter des Rathauses von Apartadó haben wohl schon seit mehreren Jahren Grundstücke unter anderem in  La Unión, Buenos Aires, La Linda, im Zentrum von San José y La Cristalina gekauft. Warum kaufen sie diese Ländereien? – Dort darf niemand arbeiten.
César Jaramillo gibt am 8. September eine Erklärung im Radio ab, er fühle sich bedroht,  vor allem von der Friedensgemeinde und vom Bauernverband von San José de Apartadó ACASA. Er bezeichnet uns als Kriminelle. Unsere Friedensgemeinde hat ihm niemals Schaden zugefügt und das ist auch nicht geplant.

Wir haben gewisse Hinweise und befürchten, dass in dem Gebiet Apartadó etwas Schlimmes gegen unsere Friedensgemeinde geplant ist – unsere Vernichtung nämlich.
Für die Streitkräfte, die Beamten und den Paramilitarismus von Urabá sind wir ihr größter Feind, Wir wissen, dass wir, solange wir uns öffentlich über die Aggression,  die sich gegen die Zivilbevölkerung in unserer Region richtet, immer ein Hindernis für diejenigen sein werden, die versuchen, die Bewohner zu spalten und die Logik des Todes zugunsten der Mächtigen durchzusetzen.
Alles, was wir als Zivilbevölkerung getan haben, war,  mit öffentlichen Kommuniqués zu fordern, dass das Leben geschützt und das Land für die Bauern in der Region respektiert wird. Deshalb werden wir nicht aufhören, der Welt alles mitzuteilen, was noch vor sich geht und wie wenig die kolumbianische Regierung um uns besorgt ist.

Nun bleibt uns nur, uns für all die ermutigende Unterstützung und Solidarität zu  bedanken, die wir täglich vom Land und von der Welt als empfangen.

Comunidad de Paz de San José de Apartadó, September 2021